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Willkommen

bei der Schweizerischen Kommission für die Erhaltung von Kulturpflanzen (SKEK)

 

 

Willkommen

Die Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Kulturpflanzen (SKEK) 
wünscht Ihnen viel Erfolg bei Ihren Projekten.

 

FRUCTUS hat die Toggenburger Schafenbirne zur Obstsorte des Jahres 2024 gekürt. Die kleinen, kreiselförmigen Birnen mit dem sternförmig gewölbten Kelch sind auffallend hübsch (Foto auf der ersten Seite).

NEWSLETTER SKEK

Winter 2020-21

Liebe Mitglieder der SKEK und Interessierte

Die für den 12. November vorgesehene Fachtagung zum Thema Agrobiodiversität und genetische Vielfalt musste aufgrund neuer Massnahmen bezüglich der Durchführung von Veranstaltungen kurzfristig umorganisiert werden. Anstelle der Fachtagung wurde das Webinar "Agrobiodiversität: Was sind unsere Ziele und wie messen wir sie?" abgehalten. Sie können dem Webinar dank diesem Video (1.5 Stunde) auch jetzt noch folgen.

Im aktuellen Newsletter können Sie ausserdem Neuigkeiten zu Aktivitäten einiger unserer Mitgliederorganisationen entdecken: darunter Hortus officinarum, Slow Food und ProSpecieRara.

Der Rückgang der Biodiversität ist nach wie vor ein alarmierendes Thema, auch wenn aktuelle Schlagzeilen sich primär auf die Corona-Pandemie konzentrieren. In unserem Bericht bieten wir Ihnen einen Überblick der aktuellen Situation rund um biodiversitätsschädigende Subventionen in der EU und der Schweiz. Zum Artikel.

Unser Netzwerk ist im Hinblick auf die einzelnen Projekte stark diversifiziert. Wie haben unsere Mitglieder, die sich für die genetische Vielfalt einsetzen, den Lockdown und weitere Massnahmen in Bezug auf die Pandemie im Jahr 2020 erlebt? Was sind die Folgen für ihre Aktivitäten? Wir führen die Umfrage unter unseren Mitgliedern bis im Februar weiter und bedanken uns im Voraus für die Teilnahme. Bis jetzt haben 14 unserer Mitglieder an der 15-minütigen Umfrage partizipiert.

Wir wünschen Ihnen möglichst friedliche Festtage und nur das Beste für das neue Jahr.

Die Geschäftsstelle der SKEK

Neues von der SKEK

Webinar "Agrobiodiversität: Was sind unsere Ziele und wie messen wir sie?"

Agrobiodiversität – dieser Begriff umfasst die Gesamtheit aller Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, die die Funktionsfähigkeit des Agroökosystems garantieren. Strukturen und Prozesse zur Unterstützung der Nahrungsmittelerzeugung und deren Sicherheit fallen ebenfalls unter diesen Begriff. Die Biodiversität steht hierbei an erster Stelle; sogar noch vor dem Ertrag des Agroökosystems.

Die jährliche Fachtagung der SKEK wurde mit dieser Definition seitens ihres Präsidenten, Tizian Zollinger, eröffnet. Aufgrund der Corona-Massnahmen des Bundes fand die Fachtagung in verkürzter Form und als Webinar statt, an dem insgesamt 84 Interessierte aus der Schweiz, Österreich und Frankreich teilnahmen. Die Sprecher widmeten sich der zentralen Frage, welche Ziele zur Förderung der Agrobiodiversität bestehen und wie man diese messen kann.

Nach Zollingers einleitender Definition übernahm François Meienberg das Wort, der im Bereich Saatgutpolitik bei ProSpecieRara tätig ist. Mit seiner Präsentation zeigte Meienberg die Effizienz und den essentiellen Charakter klar definierter Ziele für das Erreichen von Massnahmen zum Schutze unserer Umwelt. Ausserdem wies er auf den Mangel definierter Ziele und Indikatoren zur Förderung der Agrobiodiversität hin. Weder im NAP-PGREL noch in den Sustainable Developement Goals sind eindeutig definier- und quantifizierbare Ziele festgehalten.

Gegen Ende des Webinars warf Meienberg Fragen rund um diese Definitionslücken auf und richtete sich direkt an Markus Hardegger, der gemeinsam mit seinem Team den NAP-PGREL beim Bundesamt für Landwirtschaft koordiniert. Hardegger zeigte sich mit Meienbergs Einschätzung einverstanden und unterstrich die Dringlichkeit einer Schaffung klarer Ziele und Indikatoren für die Förderung der Agrobiodiversität. Als geeigneter Akteur für eine solche Ausarbeitung schlug Hardegger das Forum Biodiversität von der SCNAT vor.

An der darauffolgenden Diskussion konnten sich alle Teilnehmer des Webinars mit Hilfe des Chats beteiligen. Durch Bemerkungen und Fragen aus dem breit gefächerten Publikum verlieh man weiterführenden Ideen und Beobachtungen Ausdruck. So wurde beispielsweise auf das Fehlen eines Labels für Biodiversität verwiesen und der Vorschlag unterbreitet, die SKEK könnte bei dem Zusammenführen von Daten zur Agrobiodiversität eine zentrale Rolle einnehmen.

Wie während des gesamten Webinars, herrschte auch in der abschliessenden Diskussion Übereinstimmung darüber, dass für eine nachhaltige Steigerung der Agrobiodiversität mehr Ziele und messbare Indikatoren benötigt werden. Durch das Webinar wurde so ein Schlüsselfaktor auf dem Weg zu einer diverseren Landwirtschaft hervorgehoben.

Zwei Beispiele für Betriebe, die Agrarökologie fördern:

 

Weitere Informationen:

Betrieb arbothévoz: http://www.arbothevoz.ch/

Betrieb Mausacker: http://mausacker.ch/ 

 

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Neues von den Mitgliedern der SKEK

Raronautik-Mission 9

Drei, Zwei, Eins – Zündung. Kurz nach Beginn der neunten Raronautik-Mission, stapfen die Teilnehmenden bereits über den Enikerhof in Cham im Kanton Zug und tauchen immer tiefer ein in die vergessene Welt der alten Sorten. Das Expeditions-Team setzt sich zusammen aus Köch*innen, Gemüseproduzent*innen und interessierten Privatpersonen. Die Missionsleitung haben Mathias Bamert und Phillipp Holzherr von ProSpecieRara inne. Daniela Hadorn übernimmt Orientierung und Führung der Expedition – sie ist als Co-Leiterin des Enikerhofs bestens mit dem Terrain vertraut.

Reichhaltige Vielfalt

Der Flurgang durch Erinnerungen an eine diversere Welt führt zu erstaunlichen Entdeckungen: Die Sorte «Rossa di Rotonda» beispielsweise ist eine Aubergine mit dem täuschenden Aussehen einer Tomate; der Kohlrabi «Wilhelmsburger» zeichnet sich durch seine erstaunlichen Lagerfähigkeiten aus; die Kartoffelsorte «Röseler» hingegen lässt sich kaum lagern, überzeugt aber mit ihrer aussergewöhnlichen Konsistenz und dem unvergleichlichen Aroma; die Rande mit dem schmeichelnden Namen «Golden», besticht durch mild-süsslichen Geschmack und ihre namensgebende Farbe des Fleisches.Nach dem erfolgreichen Erstkontakt mit den Entdeckungen im Terrain, werden einzelne Proben davon im Hauptquartier der Raronautik-Mission – Küche und Eventlokal des Enikerhofs – vom Profikoch Carlos Navarro untersucht und verarbeitet. Die Auswertung dieser kulinarischen Pionierleistungen findet daraufhin unter Anteilnahme des gesamten Expeditionsteams statt.

 

Das PGREL-Projekt

Die der Raronautik-Missionen von ProSpecieRara zu Grunde liegende Idee könnte ebenfalls als Pionierleistung auf einer «Terra Nova» bezeichnet werden. Sie ist Teil des vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mitfinanzierten NAP-PGREL-Projekts «Spezielle Gemüsesorten für die Nutzung in der Nischenvermarktung». Ziel dieses Projekts ist unter anderem die Erhaltung seltener Sorten durch nachhaltige Nutzung zu gewährleisten. Das setzt voraus, dass eine Nachfrage nach dem Anbau seltener Sorten kreiert oder entdeckt werden soll.

Auf Nachfrage stösst man tatsächlich: In den Konsumentenkreisen von Qualitäts-Supermärkten, bei Kund*innen von Märkten und Hofläden, sowie in der Gastronomie-Branche. In Bereichen also, in denen man bereit ist für Nahrungsmittel einen fairen Preis zu bezahlen. Ein Abnehmermarkt, den auch Daniela Hadorn sehr schätzt: «Die Hauptabnehmer unserer Erträge sind Globus und Marinello. Sie sind bereit angemessene Preise zu bezahlen, weshalb unsere extensive Produktion nicht unter Preisdruck gerät.»

Um geeignete Sorten im umfangreichen Fundus von ProSpecieRara zu bestimmen und später Empfehlungen für die Eignung in der Nischenvermarktung abzugeben, hat Mathias Bamert einige Kriterien festgelegt: Ausschlaggebend sind unter anderem der Ertrag, Anspruch der Pflanze, Lagerfähigkeit, Aroma und allfällige, kulinarische Besonderheiten.

 

Ein innovativer Weg der Erhaltung?

Diese einfallsreiche Art der Erhaltung seltener Sorten will Phillipp Holzherr trotz der aussergewöhnlichen Idee dahinter nicht vorbehaltlos als «Innovation» bezeichnen: «Der Begriff Innovation ist heute doch stark überstrapaziert.», meint er. Trotzdem weiche diese Form der Erhaltung vom herkömmlichen Verständnis der Erhaltung ab, so Holzherr. Immerhin könne dadurch aber der effektive Nutzen der Sorte sichergestellt werden, anstatt diese ungenutzt in einer Genbank zu erhalten.

Ob Innovation oder nicht – Es handelt es sich bei der nachhaltigen Nutzung um einen Stützpfeiler mit Potenzial bei der Erhaltung alter Sorten. Es könnte dadurch eine Verknüpfung von Biodiversitätserhaltung mit den mächtigen Mechanismen der Marktwirtschaft gelingen. Alles eine Frage der Strukturen und der Organisation – ganz nach dem Motto: Ein kleiner Schritt für uns, ein grosser für die Biodiversität.

Weitere Informationen:

https://www.prospecierara.ch/ 

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Hortus Officinarum: Anbau der Artemisia annua und Ausbau des Vereins

Seit dem Frühjahr baut Hortus Officinarum auf ihrem Anbaufeld in Oberwil, BL die Heilpflanze Artemisia  annua an – auch bekannt als Einjähriger Beifuss. In Folge der Suche nach geeigneten Wirkstoffen für eine wirksame Behandlung von Malaria wurde die aus der traditionellen chinesischen Medizin bekannte Pflanze in der Vergangenheit intensiv erforscht, was Vielversprechendes offenbarte: So werden dem Einjährigen Beifuss heute leberschützende, antimykotische, antibakterielle, antivirale, antitumorale, antioxidative, antientzündliche, immunmodulierende sowie antiasthmatische Wirkungen zugeschrieben.

Die Artemisiaannua ist aber nicht nur an sich interessant: Im Rahmen des Anbau-Projekts findet eine direkte Zusammenarbeit zwischen Hortus Officinarum und den Abnehmern statt. Hortus Officinarum bezieht bei der Beurteilung der sechs verschiedenen, angepflanzten Herkünfte der Heilpflanze anthroposophische Ärzte und Apotheken aus ihrem lokalen Umfeld im Raum Basel mit ein. Ziel hierbei ist es, erfolgreich die heilkräftigsten unter den Pflanzen zu identifizieren.

Nicht nur vom Anbaufeld von Hortus Officinarum gibt es Neues zu berichten – Die Organisation des Vereins soll sich in den kommenden Jahren nämlich massgeblich ändern. Der Vereinspräsident Andreas Ellenberger und die gärtnerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin Ruth Richter gaben bekannt, ihr Arbeitspensum altersbedingt sukzessiv zu verringern. Einen Teil ihrer Arbeit führen beide ehrenamtlich durch.

Als Konsequenz dieser Veränderung wird das Finanzvolumen des Vereins vergrössert werden, denn die Leistungen der beiden Nachfolger will man künftig vollständig entlöhnen.

Die Ausweitung der Vereinsfinanzen soll in den ersten Jahren noch mit Hilfe von Stiftungen und privaten Spenden gewährleistet werden. In dieser Zeit findet der Ausbau der wichtigsten Einnahmequellen des Vereins statt: Saatgutverkauf, Partnerschaften mit Arzneimittelherstellern und Erweiterung der Mitgliederbasis. Dadurch will der Verein eine finanzielle Besserstellung auch auf Langzeit garantieren.

Mehr Informationen:

http://www.hortus-officinarum.ch/ 

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Slow Food Foundation for biodiversity

Slow Food Foundation koordiniert und fördert die Projekte von Slow Food zum Schutz der biologischen Vielfalt von Lebensmitteln in der ganzen Welt: Förderkreise, Arche des Geschmacks, Gärten in Afrika, Slow Food Chefs' Alliance und Märkte der Erde.

Die Stiftung ist in über 100 Ländern aktiv und bindet Tausende von Kleinproduzenten in ihre Projekte ein, indem sie technische Unterstützung, Schulungen, Austausch zwischen Erzeugern und Kommunikation anbietet.

Darüber hinaus stellt sie technische Hilfsmittel für verschiedene Projekte zur Verfügung (Richtlinien, Produktionsprotokolle, Handbücher usw.), erforscht die mit diesen Projekten verbundenen Themen (nachhaltige Landwirtschaft, Rohmilch, Kleinfischerei, Tierschutz, Saatgut, GVO usw.) und kommuniziert Ideen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt durch die Schulungs- und Kommunikationsaktivitäten von Slow Food.

Erfahren Sie mehr über Slow Food Foundation: https://www.fondazioneslowfood.com/en/what-is-the-foundation/ 

National

Information des Eidgenössischen Pflanzenschutzdienstes

Der 5. Newsletter über das neue Pflanzenpass-System wurde am 30.11.2020 veröffentlicht. Hier sind die behandelten Themen:

  • Änderung der Pflanzenpass-Bestimmungen betreffend des Jordan-Virus
  • Änderung der Bestimmungen betreffend Xylella fastidiosa
  • Gesundes Castanea Pflanzgut darf wieder in der ganzen Schweiz verkauft werden
  • Erleichterung für bestimmte Pflanzen für den Schweizer Markt («Plantae-Erleichterung»)
  • Brexit: Was gilt ab dem 1. Januar 2021?

Zum Newsletter

Weitere Informationen:

https://www.blw.admin.ch/blw/de/home/nachhaltige-produktion/Pflanzengesundheit.html 

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International

Stand der biodiversitätsschädlichen Subventionen in der EU und der Schweiz

Das grundsätzliche Desinteresse landwirtschaftlicher Grossunternehmen an Veränderung schadet der Biodiversität nachhaltig. Obwohl sie eine verhältnismässig kleine Interessengruppe darstellen, gelingt es ihnen die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Als der Weltagrarrat 2009 seinen Weltagrarbericht veröffentlichte und auf die zentrale Rolle der industriellen Landwirtschaft bei der Zerstörung der Biodiversität hinwies, zeichnete sich der Konflikt ab, der ab sofort die globale Landwirtschaftspolitik in den kommenden Jahren spalten sollte. Ursprünglich war die Gesamtheit landwirtschaftlicher Akteure an dem Bericht beteiligt gewesen. Doch bereits während dessen Ausarbeitung zeigte sich, dass der Bericht agrarökologische Methoden und eine ökologische, dezentrale Landwirtschaft besser bewertete, als die Möglichkeiten der Gentechnologie, Agrochemie und geistigem Eigentum von Saatgut. Also traten die Agrarunternehmen Monsanto, Syngenta und BASF von der Mitarbeit zurück. Die Nachricht war klar: Die Profiteure des Status Quo hatten kein Interesse an einer Grundlegenden Veränderung – zumindest an keiner, von der sie nicht profitieren würden.

12 Jahre – genug Zeit für Veränderung?

In diesem Jahr hat die Europäische Umweltagentur (EUA) in der laut Eigenaussage bisher grössten und umfangreichsten Datenerhebung zum Zustand der Natur, die Lage der Biodiversität in der EU bewertet. Sie kam zum Schluss, dass die Ziele der Europäischen Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 nicht erreicht worden sind; die Vogelbestände schwinden nach wie vor und 81% sämtlicher Habitate befinden sich in einem kläglichen Zustand. An erster Stelle der grössten Bedrohungen für die Biodiversität, steht laut der EUA nach wie vor die intensive Landwirtschaft.

Der von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission, im Dezember 2019 verheissungsvoll angekündigte «Green Deal» liess hoffen. Kernelemente dieser umweltfreundlicheren Politik bilden die Farm-to-Fork-Strategie und die EU Biodiversitäts-Strategie 2030; beide sehen massgebliche Veränderungen für die Landwirtschaft vor. Die zentrale Rolle der Landwirtschaft für den Schutz der Umwelt, ins Besondere der Biodiversität, scheint also in der Politik angekommen zu sein.

Die Förderung der Landwirtschaft findet in der EU durch die sogenannte Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) statt, die alle sieben Jahre für die kommenden sieben beschlossen wird. Mit ihr werden Anreize geschaffen, Weichen gestellt und Ziele umgesetzt. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist einer der grössten Haushaltsposten der EU und beansprucht rund vierzig Prozent ihres Gesamtbudgets. In einem Artikel der New York Times wird die GAP sogar als eines der grössten Subventions-Systeme der Welt bezeichnet. Eine mächtige Waffe also, im Kampf gegen die Zerstörung der Umwelt.

Zweischneidiges Schwert

So wie die Umwelt durch die Anreize einer vorausschauenden Agrarpolitik geschützt werden kann, kann sie durch kurzsichtig definierte Ziele auch systematisch Zerstört werden. Alles hängt von ihrer Ausrichtung ab, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. So profitieren momentan lediglich zwanzig Prozent der grössten Landwirtschaftsbetriebe in der Europäischen Union von achtzig Prozent der Direktzahlungen. Die EU fördert so mit ihren Subventionen eine intensive Landwirtschaft von wenigen Grossunternehmen und finanziert dadurch ihren eigenen Biodiversitätsverlust.

Für die Ausrichtung dieser ehrfurchtgebietenden Subventions-Kanone ist in der EU die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (DG AGRI) zuständig. Alle sieben Jahre legt sie die Richtlinien fest, die in den kommenden sieben der Landwirtschaft die Richtung weisen. Und in die Entscheidungsfindung lässt man sich nicht reinreden, wie die DG AGRI diesen Oktober bewies – zumindest nicht von irgendwelchen Strategien der EU-Kommission.

Sehr wohl mitreden darf aber die Vereinigung Copa-cogeca, die mächtigste Lobby-Organisation agrarwirtschaftlicher Unternehmen der EU – Vertretung in Brüssel für die zwanzig Prozent der landwirtschaftlichen Unternehmen, die achtzig Prozent der Direktzahlungen einstreichen. Mitglieder von Copa-cogeca geniessen das Privileg, vor Treffen der Entscheidungsträger von DG AGRI, in einer Privataudienz beim Ratspräsidenten ihre Sicht der Dinge geltend zu machen. Umweltschutzorganisationen bleibt ein solcher Zugang verwehrt. Der bereits oben zitierte Artikel der New York Times schlussfolgert, Mitglieder von Copa-cogeca würden nicht wie Empfänger von Regierungsgeldern behandelt werden, sondern vielmehr als Partner beim Festlegen neuer Richtlinien.

In Anbetracht dieser Umstände überrascht es kaum, dass es Copa-cogeca im Oktober 2020 gelungen ist, die von der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitäts-Strategie 2030 vorgesehenen Veränderungen aus der Agrarpolitik der kommenden sieben Jahre zu streichen und dadurch den potenziellen Auswirkungen des «Green Deals» auf die Europäische Landwirtschaft erfolgreich die Zähne zu ziehen. Für die Zeitspanne von 2021-2027 ist ein Budget von rund 400 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind zirka 60 Milliarden jährlich, die in eine nachweislich destruktive Landwirtschaft investiert werden.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

Davon abgesehen, dass Ökosysteme so etwas wie Landesgrenzen nicht kennen und eine umweltschädliche Landwirtschaftspolitik in der EU auch zwangsläufig Folgen für die Schweiz hat, ist diese Entwicklung in der EU besonders im Hinblick auf die aktuelle Debatte rund um die Agrarpolitik 22+ (AP22+) interessant.

Denn wie einem Bericht der Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) aus diesem Sommer zu entnehmen ist, schaden ebenfalls in der Schweiz Subventionen der Biodiversität. Auch hier zeichnet sich klar ab: Der Bereich, in dem Regierungsgelder der Biodiversität am meisten Schaden, ist der der Landwirtschaft. Insgesamt 46 landwirtschaftliche Subventionen sind im Factsheet der SCNAT aufgeführt, die zur Zerstörung der Biodiversität beitragen.

Die Meinung, dass vor diesem Hintergrund eine Neuausrichtung der Agrarpolitik dringend notwendig ist, scheint Bundesrat Guy Parmelin zu teilen. Seine im Frühjahr 2020 vorgelegte Vorlage zur AP22+ sah mehr Beiträge für ökologische Leistungen der Landwirte voraus, setzte Anreize die Anzahl der Nutztiere pro Hof zu reduzieren und plante mehr Land für die Förderung von Biodiversität ein.

Die AP22+ rechnet aufgrund dieser Umstrukturierung aber gleichzeitig mit einer Absenkung des Selbstversorgungsgrades der Schweiz von 56 auf 52 Prozent. Eine Veränderung, die Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauern Verbandes (SBV), ablehnt. In einem Interview mit der NZZ drohte er damit, mit allen Mitteln ein geplantes Freihandelsabkommen zu bekämpfen, sollte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S) nicht die Sistierung der Agrarpolitik 22+ beschliessen – mit Erfolg. Am 14. Dezember beschloss der Ständerat die Sistierung der AP22+, was von diversen Umweltorganisationen mit Entsetzen aufgefasst wurde. Die Sistierung bedeutet nämlich, dass sich in den kommenden Jahren an der biodiversitätsschädlichen Agrarpolitik des Bundes nichts ändern wird. Eine bedenkliche Entwicklung.

Obwohl die Verbindung zwischen dem drastischen Rückgang der Biodiversität und den Subventionen in der Landwirtschaft augenscheinlich ist, fällt es der schweizerischen sowie europäischen Politik schwer, grundlegende Entscheidungen zum Schutze der Artenvielfalt zu treffen. Der Ball liegt somit in den kommenden Jahren weiterhin bei einzelnen Akteuren, die Landwirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten.

 

Text von Maximilian Jacobi

 

Quellen:

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